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Das Regierungschaos

Wir schreiben den 24.09.2017. Gespannt sitze ich 18:00 Uhr vor dem Bildschirm und warte auf die ersten Hochrechnungen. Da vor der Wahl vollkommen unklar war, wie sich die Verhältnisse (insbesondere die Regierungsbildung) gestalten, ist dieser Moment umso wichtiger. Dann die ersten Zahlen: Die Volksparteien, CDU und SPD, verlieren massiv an Stimmen. Letztere kann sich gerade so über der 20%-Hürde halten. Die "kleinen Parteien" können deutliche Gewinne verzeichnen, die AfD kommt (leider) sogar auf 12,6 % und auch die FDP zieht mit über 10 % wieder in den Bundestag ein. Soweit so gut.

Die obligatorische Schalte zu den Vertretern der einzelnen Parteien: Die CDU bedauert den Verlust, hat aber "den klaren Wählerauftrag für eine Regierungsbildung", AfD und FDP überhäufen sich mit Selbstlob für den gelungenen Wahlkampf, Linke und Grüne freuen sich über kleine Zuwächse und bedauern allen voran das Abschneiden der AfD. Und die SPD? "In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nie eintreten", tönt Martin Schulz und erteilt der Neuauflage einer Großen Koalition damit eine klare Absage. 

Angesichts dessen lief alles auf eine "Jamaika-Koalition" aus Union, FDP und Grüne hinaus, was in meinen Augen (immer noch) die beste Option gewesen wäre. So hätte sich die SPD in der Opposition "erholen" können (um irgendwann vielleicht wieder wählbar zu sein), die AfD wäre kein Oppositionsführer und wir hätten eine - auf Bundesebene - so noch nie da gewesene, politisch interessante Regierung gehabt. Aber es sollte nicht sein: In der Nacht vom 19. auf den 20. November erklärt die FDP nach vier (!) Wochen die Sondierungsgespräche für beendet.

Was einige für eine lang geplante Kampagne der FDP halten und ihnen die Alleinschuld am Scheitern der Verhandlungen zuschieben, sehe ich als Unvermögen aller vier Parteien (nicht zuletzt auch der CSU, die nach dem Verlust ihrer Stimmen in Bayern meinen, diese durch Angleichung ihrer Programmatik an die AfD wieder zurückzugewinnen und teilweise abstruse Forderungen in die Gespräche einbrachten).

Was sind jetzt also die Optionen? Neuwahlen? Minderheitsregierung? Oder, entgegen aller Vehemenz der SPD, eine erneute GroKo? Eins ist klar, egal was die SPD momentan unternimmt, einen großen Handlungsspielraum hat sie nicht. Kommt es tatsächlich wieder zur GroKo, resignieren viele Wähler ("Es ändert sich ja sowieso nichts!") und wir haben in vier Jahren, selbst wenn die SPD es schaffen sollte, ihre Rolle als "Handlanger Merkels" abzuschütteln und eigene Postionen einzubringen, einen erneuten Zuwachs der AfD. Beharrt die SPD auf ihrer Position, keine Koalitionsgespräche führen zu wollen, blieben neben einer sehr unwahrscheinlichen Minderheitsregierung aus CDU/FDP bzw. CDU/Grüne, nur noch Neuwahlen. Auch diese hätten meiner Meinung nach nur ein Erstarken der politischen Ränder zur Folge und würden, im Großen und Ganzen, kein anderes Ergebnis als wir es jetzt schon haben, zu Tage bringen.  

Momentan berät die SPD auf einem Parteitag über ihre Zukunft und damit auch die Zukunft Deutschlands. Wie sich aus diesem Chaos noch eine Regierung bilden soll? Ich hoffe, wir wissen bald mehr!

(Update 08.12.2017: Die SPD stimmt "ergebnisoffenen Gesprächen" mit der Union zu. In der nächsten Woche wollen sich die Spitzen der Parteien treffen. Wenn es zu Sondierungsverhandlungen kommen sollte, so sind diese für Anfang Januar geplant. Es wird also genug Stoff für kommende Artikel geben.)  

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